Am Sonntag, 27.09.2020 fand in Prichsenstadt die nunmehr fünfte Verlegung eines Stolpersteines für Opfer des Nationalsozialismus statt – diesmal für das Euthanasieopfer Anna Dorothea Maurer. Die Schülerinnen Saskia Rückert, Klasse 9b und Anna Schröder, Klasse 10c unseres Gymnasiums waren zentral an der Zeremonie beteiligt.
Wofür stehen diese Stolpersteine?
Mit ihnen wird der Menschen gedacht, die unter der Diktatur des Nationalsozialismus ihr Leben lassen mussten. Die Steine werden in der Regel dort verlegt, wo diese Opfer ihren letzten (selbst gewählten) Wohnsitz hatten. Die Idee hierzu stammt von dem Künstler Gunter Demnig, der mittlerweile in ungefähr 1265 Kommunen Deutschlands und in 21 Ländern mehr als 70.000 solche Stolpersteine verlegt hat bzw. hat verlegen lassen – auf Wunsch von daran interessierten Bürgerinnen und Bürgern oder Politikerinnen und Politiker.
Bereits über 18 solcher Stolpersteine liegen in Prichsenstadt mittlerweile – der 19. Stolperstein kam am oben genannten Datum hinzu. Dies erscheint nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, da so manche Kommune sich bis heute schwertut, sich auf diese Weise ihrer eigenen Vergangenheit zu stellen – nicht so Prichsenstadt, wie der 1. Bürgermeister René Schlehr anlässlich der Enthüllungsfeier deutlich hervorhob. ‚Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist‘, zitiert Gunter Demnig den Talmud. Mit den Steinen vor den Häusern wird die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst hier wohnten. Auf den Steinen steht geschrieben: HIER WOHNTE… Ein Stein. Ein Name. Ein Mensch. Auf diesen grundsätzlichen Gedanken verwies der Landtagsabgeordnete Volker Hartleib in seinem Grußwort beim Gedenkakt in der Stadtkirche St. Sixtus.
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Die Verlegung des 19. Stolpersteins in Prichsenstadt stellt insofern eine Besonderheit dar, als er nicht – wie es bei den vorherigen 18 der Fall war – einer jüdischen Mitbürgerin / einem jüdischen Mitbürger gewidmet ist. Vielmehr gilt er einem Menschen, der wegen einer geistigen Behinderung bzw. psychischen Erkrankung im Rahmen der Euthanasiemorde – der sog. T4-Aktion – 1940 in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein bei Dresden umgebracht wurde. Dort “ermordeten die Nationalsozialisten in den Jahren 1940 und 1941 rund 13720 vorwiegend psychisch kranke und geistig behinderte Menschen, darunter etwa 700 Kinder und Jugendliche.”
Zwei Schülerinnen unseres Gymnasiums beteiligten sich aktiv an der Gedenkveranstaltung, nämlich Saskia Rückert (9b) und Anna Schröder (10c). Zusammen mit zwei weiteren Schülerinnen der hiesigen Mittelschule trugen sie die traurige Biografie von Anna Dorothea Maurer vor; hier einige Hinweise aus dieser Biografie:
Geboren am 21.08.1892 in Prichsenstadt als fünftes (von zehn) Kindern des Gerbermeisters Friedrich Maurer und seiner Frau Maria Barbara (geborene Spreitzer) – Abschluss der Volksschule in Prichsenstadt – danach Anstellung als Dienstmädchen in Würzburg – erstmalige Einweisung im April 1916 in die Heil- und Pflegeanstalt Werneck für ungefähr elf Jahre – Entlassung Juli 1927, aber bereits im Januar 1928 Wiedereinlieferung – anlässlich der Auflösung der Heil- und Pflegeanstalt Werneck Anfang Oktober 1940 Verlegung angeblich “in eine unbekannte Anstalt”, in Wirklichkeit jedoch in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein – dort Ermordung durch Kohlenmonoxid in einer Gaskammer, getarnt als Bad.
Das genaue Todesdatum (es existiert ein angebliches Todesdatum, nämlich der 18.10.1940) konnte bis heute nicht verifiziert werden, da die Nazis kurz vor dem Ende des 2. Weltkriegs noch versuchten, die Spuren ihrer unvorstellbaren Verbrechen zu beseitigen.
Gerade angesichts der Tatsache, dass immer mal wieder die Verbrechen des Dritten Reiches geleugnet werden, erscheint es umso wichtiger, die Erinnerung an die unvorstellbaren Gräueltaten der Nazis lebendig zu halten und dass sich auch junge Menschen dafür engagieren – damit zukünftige Generationen Sorge dafür tragen, dass so etwas nicht einmal mehr im Ansatz denkbar erscheint.
Daher – auch im Namen der Schulleitung – ein herzliches Dankeschön an Saskia Rückert und Anna Schröder.
Bild des Stolpersteins im Gehweg vor dem Hause Schulinstr. 7 in Prichsenstadt
V l n r: Anna Schröder, Saskia Rückert