Culture Jamming ist eine sich mit Werbung beschäftigende Kunstform, die sich selbst grundsätzlich als gegen die konventionelle Werbeindustrie gerichtet versteht, sozusagen als Antiwerbung. Hier werden Strategien und Formen, aber auch konkrete Beispiele aus der herkömmlichen Produktwerbung übernommen, karikiert und teils ins Absurde geführt. Es werden dabei bewusst auch Inhalte mit einbezogen, die in der eigentlichen Werbung nicht vorkommen oder von ihr überdeckt werden sollen. Intention ist dabei meist eine Kritik der durch Werbung erzeugten Bilder und Meinungen sowie die Aufdeckung deren manipulativer Aspekte. So entstehen vermeintliche Werbespots, Headlines, Plakate und Objekte, die die Sprache der Werbeindustrie zwar gekonnt benutzen, ihre Semantik jedoch komplett umkehren und in einen ganz anderen Bedeutungszusammenhang überführen.

Hier präsentieren wir konsumkritische Arbeiten aus dem Design Kurs der Q11 und Q12, in Form von werbekritischen Plakatdesigns und Objektentwürfen (Ende 2022), incl. der jeweiligen Konzeptbeschreibungen unserer Schülerinnen und Schüler (durch Klicken auf das jeweilige Bild wird die Darstellung vergrößert):

• Yizhou:
„Ich kam, sah nichts,
und ging.“

Dieses Plakat soll auf die fehlende Zivilcourage unserer Gesellschaft hinweisen. Selbst wenn sich viele Menschen mit den Werten von Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeit und sozialer Verantwortung identifizieren, werden diese in ihren alltäglichen Handlungen nicht widergespiegelt. Zwar sind ihnen manche böse Angriffe, wie z.B. Ausländerfeindlichkeit, Diskriminierung, Rassismus oder Mobbing bewusst, doch sie trauen sich nicht, sich für die Gerechtigkeit einzusetzen. Zu schweigen und tatenlos zuzuschauen kann nur die Feindlichkeit und Zwietracht fördern.
Yizhou Huang, Q11

 

• Lucy:
„Toxic Positivity“

„TOXIC POSITIVITY“ soll eine offene interaktive Ausstellung sein. Ein paar Silikonlippen mit Gebiss werden von einem Mechanismus in ein Grinsen gezogen. Die Kurbel dafür wird von Beobachtern und Außenstehenden betätigt. Durch das Kurbeln wickelt sich eine Rolle von Tickets auf, auf denen aufmunternde Sprüche stehen, die jedoch emotionale Probleme nicht lösen können. Sie sind oberflächlich. Das Experiment resultiert in einem anfangs freundlichen Lächeln, bei zu häufigem Kurbeln wird der Mund jedoch unmenschlich und verstörend verzerrt, bis das Silikon reißt. Das soll den Effekt toxischer Positivität darstellen. Wenn man sich seinen Problemen nicht widmet und sich nur mir erzwungener Positivität und Glücklichsein besser fühlen möchte, führt dies zu einem viel ungesunderen und verstörenden Ende.
Lucy Weiss, Q12

 

• Laura:
„Abortion“

Mir war wichtig, dass man auf den ersten Blick erkennt, um was es geht: um Abtreibung und die noch immer vorherrschenden Abtreibungsverbote in vielen Ländern der Welt.
Den Mittelpunkt der Bildcollage bildet ein Kleiderbügel, ein Objekt, das Frauen sich eingeführt haben um eine Fehlgeburt herbeizuführen. Dabei zogen sie sich oft selbst Verletzungen zu und nicht selten starben sie alleine daran. Die Aussage „Banning Abortion doesn’t make it less frequent, only more dangerous“, ist in dem Zusammenhang mit dem Kleiderbügel selbsterklärend und zeigt, dass das Verbot die Abtreibung nicht weniger werden lässt, sondern einfach nur die Situation der Frau gefährlicher macht. Diese Methode sollte heute Vergangenheit sein.
Die Blutspritzer, die sich über das ganze Plakat ziehen und am Kleiderbügel sind, dienen dazu, einen unangenehmen Eindruck zu verschaffen, denn Blut ist kein schöner Anblick.
Die beiden abgebildeten Hände stehen in Verbindung mit meinem selbstkreierten Spruch „The blood of the woman is on the hand of the government that doesn’t legalize abortion“. Sie sollen zeigen, dass nicht die Frauen, die eine Abtreibung vollziehen, das Blut des Embryos an ihren Händen haben, sondern die Regierung, die es verbietet und somit die Frauen, die keinen anderen Ausweg sehen, ihrem Schicksal überlassen und sich selbst verletzen lassen. Auf den beiden Händen sind noch die beiden Abtreibungsparagraphen abgebildet, die 150 Jahre lang in Deutschland galten.
In der Mitte des Kleiderbügels sind drei Bilder dargestellt. Das größte stellt eine Frau dar, auf deren Körper „woman are complete human beings not potential mothers“ und auf ihrem Bauch „motherhood is just an option“ steht. Ebenfalls ist ein Uterus abgebildet, der zwei Mittelfinger zeigt und damit provokant und direkt der Regierung sagen will „my body, my choice“. Das dritte Bild zeigt eine Frau, die eine klemmende Position einnimmt, mit vielen Fragezeichen außen herum, da sie es nicht versteht, wieso sie nicht selbst über ihren Körper entscheiden darf, denn dies ist bisher immer noch in vielen Ländern nur eine Wunschvorstellung der Frauen und noch keine Realität.
Ebenfalls gibt es drei unterschiedliche Kreise mit den Aussagen:
– „I know, I know I am such a bitch for standing up for myself.“
– „If men could get pregnant, abortion would be a fundamental right.“
– „Vaginas brought you into the world and vaginas will vote you out.“
Alle diese Spruchsequenzen und Bilder sollen die Gedanken und Aussagen der Frauen repräsentieren, die damit die Legalisierung begründen und vor allem der Satz, wenn nur Männer schwanger werden könnten, soll die Bevölkerung zum Nachdenken anregen, denn hierbei ist immer noch sichtbar, dass Frauen und Männer in der Denkweise der Regierung nicht gleichgestellt wären/sind.
Den Abschluss bildet das Schwarz-Weiß-Foto einer thematisch entsprechenden Demonstration, die noch einen weiteren Aspekt anspricht. „Wir sollen brüten und nisten für die Kapitalisten, unser Bauch gehört nicht dem Staat“. Der Bauch einer Frau sollte unter keiner anderen Gewalt stehen, auch nicht zum Vorteil anderer, ohne dabei die Bedürfnisse der Frau zu beachten.
Laura Langguth, Q12

 

• Ethan:
„The Experience of
an Autistic Person“

Dies ist eine dualistische Darstellung einer autistischen Person. Die eine Seite soll eine überstimulierte Ansicht des eigenen Spiegelbildes darstellen, die sogar dem Teilnehmer aktiv Schmerz geben soll mit grellen Lichtern, einem Nagelbett und Greifhaken, die das Gesicht angreifen. Außerdem sollen Dutzende von Augen und das im Spiegelbild Verschwommene dem Teilnehmer Angst machen. Zur anderen Seite soll das Spiegelbild nur eine einfache Glasscheibe sein, die zur überstimulierten Seite zeigen. Alles ist weich, dunkel und mit weichen kleinen Lichtern dekoriert, um es dem Teilnehmer auf dieser Seite so harmlos wie möglich zu machen. Die verletzende Seite soll das ‚masking‘ darstellen, also wie Autisten sich weh tun müssen, um in der Gesellschaft als ‚normal‘ zu funktionieren, während die andere Seite die unmaskierte Seite von Autisten zeigt, die ihnen selbst nicht weh tun soll.
Ethan Biel, Q12

 

• Lara:
„Der Morgen macht
die Veränderung“

In meiner Antiwerbung geht es um die Zerstörung des Regenwaldes. Es soll zeigen, wie wir Menschen beispielsweise durch den Kauf von Produkten mit Palmöl (hier Nutella) zu der Zerstörung des Regenwaldes beitragen. Der Satz daneben soll darstellen, dass es nie zu spät für die Veränderung des Kaufverhaltens von uns Menschen ist und soll das Verständnis dafür sensibilisieren, wie wir durch unseren Kauf zu der Zerstörung beitragen. Die Bluttropfen, sowie das Messer und die gefällten Bäume soll dies unterstreichen. Es war mir sehr wichtig auch dieses Thema einmal zu thematisieren, da man zwar oft etwas von der Zerstörung des Regenwaldes hört und wie schlimm es ist, aber ich denke viele Menschen verstehen nicht, dass auch sie etwas gegen die Zerstörung tun können, auch wenn es für sie nur kleine Veränderungen im Alltag sind.
Lara Bäuerlein, Q12

 

• Tiancheng:
„Creating your
Grave“

Der Titel dieser Arbeit lautet „Creating Your Grave“, wobei die verbrannte Zigarette metaphorisch mit dem Staub auf dem Grab verglichen wird. Wir alle wissen, dass Zigaretten schädlich für den Körper sind und irreversible Schäden verursachen können. Durch dieses Bild werden den Menschen die Gefahren von Zigaretten deutlich gemacht. Wenn die Menschen weiter rauchen, wird der Schaden immer größer, genau wie diese Sanduhr, eines Tages wird ihr „Sand“ ausgehen.
Tiancheng Dai, Q11

 

• Yannik:
„In Cooperation“


Jährlich gibt es 100.000 Unfälle, die auf Handynutzung während des Autofahrens zurück zu führen sind. Mein Bild ist angelehnt an die Art der Präsentation der neu vorgestellten Handys von Samsung. Der Sarg im Handy und der Leichenwagen mit der Unterschrift „Bestattungsunternehmen Riegler“ sollen auf die vielen Unfalltoten hinweisen. Der Text „in coorperation with Samsung“ kritisiert den Gewinn der sowohl für Samsung als auch das Bestattungsunternehmen durch die Handytoten entsteht.

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Axel Weiß